Weihnachten steht vor der Tür – und immer wieder die Frage: Was könnte ich verschenken? Bücher sind da ein zweischneidiges Schwert, finde ich. Auf der einen Seite kann es ungemein unkreativ sein, wenn sich der Schenkende nicht so richtig mit dem Buch oder dem Geschmack des Beschenkten befasst, kann aber auch auf der anderen Seite unheimlich inspirierend sein, wenn man den richtigen Nerv trifft.
Diese Bücher habe ich in den letzten Wochen gelesen - und kann sie empfehlen. Vielleicht ist ja etwas für dich dabei:
Norbert Scheuer: Winterbienen
Die Geschichte spielt 1944 in der Eifel. Dort lebt Egidius Arimond. Er ist Lehrer von Beruf. Als Epileptiker wird er als wehruntauglich eingestuft und gilt in der Ideologie der Nazis wegen seiner vererblichen Krankheit als unwertes Leben. Da kein Arzt ihm mehr Rezepte ausstellt, hat er Schwierigkeiten, seine Medikamente zu bekommen, er darf nicht mehr arbeiten – und schmuggelt – auch deswegen – jüdische Flüchtlinge gegen Geld über die Grenze. Und zwar in umgebauten Bienenstöcken. Überhaupt spielen die Bienen in diesem Buch eine große Rolle, auch metaphorisch.
Was ich spannend an diesem Buch finde:
Die Geschichte basiert auf einer wahren Geschichte, diesen Egidius hat es wirklich gegeben. Der Autor schafft es, die Endkriegszeit in diesem kleinen Eifel-Örtchen mit all den Hoffnungen, Abgründen und Schicksalen sehr nahbar zu erzählen. Faszinierend fand ich im Übrigen auch die ausführlichen Beschreibungen des Lebens von Bienenvölkern. Ich habe viel gelernt!
Gohril Gabrielsen: Die Einsamkeit der Seevögel
Eigentlich bin ich kein großer Thriller-Fan, aber diesen hier fand ich großartig: Eine Wissenschaftlerin reist in die absolute Einsamkeit, in die nördlichste Ecke von Norwegen, um dort Seevögel zu erforschen. Der Plan ist, dass ihr neuer Lebensgefährte nach ein paar Wochen nachkommt und sie unterstützt. Doch seine Ankunft verschiebt sich. Immer und immer wieder. Was passiert? Die Frau dreht nach und nach in ihrer einsamen Hütte ohne Kontakt zur Außenwelt durch.
Was ich spannend an diesem Buch finde:
Dieses Buch ist wie „The Shining“ mit Jack Nicholson mit einer weiblichen Hauptrolle. Ganz subtil vermischen sich bei der Ich-Erzählung die Wirklichkeiten. Sind wir im Hier und Jetzt? Sind wir im Jahr 1870, dem Jahr, in dem sich in ihrer Hütte eine traurige Familientragödie ereignet hat, mit der sich die Ich-Erzählerin gedanklich zunehmend vermischt. Und welche Rolle spielt eigentlich der Ex-Mann? Bedroht er sie wirklich? Ein spannendes Psychogramm über das, was große Einsamkeit mit uns machen kann…
Anne Cathrine Bomann: Agathe
Ein Psychiater aus Paris zählt die Tage und die Gespräche mit seinen Patienten, bis zu seinem Ruhestand. Er hat keine Lust mehr zu arbeiten. Ihm ist alles zu banal, er glaubt nicht wirklich daran, ihnen helfen zu können. Kurzum: Er ist ausgebrannt und hat keine Lust mehr. Doch dann tritt Agathe in seine Praxis…
Was ich spannend an diesem Buch finde:
Dieses Buch liest sich einfach leicht, hat eine schöne Sprache und hat mich als Leserin ganz wunderbar ins Paris Ende der 40er Jahre versetzt.
Martin R. Dean: Warum wir zusammen sind
Eine Clique feiert den Jahreswechsel ins neue Jahrtausend, und einer der Freunde verkündet auf der Party, dass er am Stadtrand ein altes Hotel gekauft hat, um für sie ein „Versuchslabor für die Zukunft“ zu gründen. Jeder soll dort machen können, was er will: Gärtnern, Zeichnen, Schreiben… Die Geschichte nun spielt 20 Jahre später. Irma und Marc feiern dort mit dieser Clique ihren 20. Hochzeitstag und erfahren, dass ihr Sohn eine Affäre mit Irmas Freundin hat. Das stürzt das Paar in eine schwere Krise. Doch auch bei den anderen sieht es nicht unbedingt blendend aus. Was ist aus der Clique geworden – und vor allem: Was ist mit der Liebe? Ist sie geblieben? Worauf stützt sie sich? Wovon lebt sie noch?
Was ich an diesem Buch spannend finde:
Was wird aus den Zukunftswünschen der Jugend? Wie verändern sie sich? Und ist es unbedingt schlecht, wenn nicht alle Träume umgesetzt werden? Diese Fragen, die sich durch das Buch ziehen, fand ich interessant. Gut fand ich auch die Generationen-Konflikte, die hier skizziert wurden: Eine eher unpolitische Generation trifft auf eine politisierte Jugend. Doch zu ganz 100 Prozent hat mich das Buch nicht umgehauen: Es ist ohne Frage lesenswert, aber für mich war es kein klassischer Page-Turner, den ich nicht mehr aus der Hand legen konnte.
Jörg Aufenanger: Else Lasker Schüler in Berlin
Das ist sicher nicht für jeden etwas: Aber ich kann die Biografie der Dichterin Else Lasker Schüler empfehlen. Das Buch beschreibt das Leben der Bohéme in den 1910er und 20er Jahren in den Kaffeehäusern Berlins, zeigt die Schwierigkeiten des Überlebens als Künstlerin in dieser Zeit und hat mir das doch für damalige Zeit schillernde Leben von Else Lasker Schüler, über die ich zuvor ehrlicherweise auch noch nicht sehr viel wusste, näher gebracht.
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